Vom Schlips bis zum Jabot – Die Krawatte im Landesmuseum Zürich. Wie man darauf kam, seine Kleidung durch ein schmales Stück Stoff aufzuwerten.
Wer die Ausstellung «Krawatte. männer macht mode» im Landesmuseum Zürich betritt, sieht sich zwischen zwei riesigen Bildschirmen links und rechts. Auf der einen Seite sehen wir, wie eine Krawatte von Frauenhänden genäht wird. Wer etwas vom Nähen versteht, weiss, dass das kein Kinderspiel ist. Der Stoff ist schräg zu verarbeiten, muss fachgerecht gefüttert und äusserst sorgfältig genäht werden, denn Mann (oder Frau) trägt dieses kleine, aber wichtige Stück gleichsam als Blickfang vor sich her.
An der gegenüberliegenden Wand sind Männer und ein paar Buben zu sehen, wie sie offensichtlich für unterschiedliche Anlässe mit Geschick oder Mühsal ihre Krawatte binden, einer bekommt dabei Hilfe von (s)einer Frau. – Später lesen wir, dass ein Krawattenknoten nach klassischer Zählung auf 85 verschiedene Arten gebunden werden kann. 2013 soll ein Rechner jedoch auf die schwindelerregende Zahl von 177’147 möglicher Knoten gekommen sein. Kein Wunder, dass die Männer bei dieser Tätigkeit angestrengt wirken!
Die Krawatte – Teil der Männerkleidung?
Die Erfindung der Krawatte war eigentlich eine Entdeckung. Die französischen adligen Herren sahen an den Hälsen ihrer kroatischen Söldner lustige kleine Tücher. Diese übernahmen die auf ihr Äusseres bedachten Edelleute in ihre Garderobe, natürlich dem Stil des 17. Jahrhunderts angepasst. So zeigte sich der elegante hohe Herr seitdem gern mit einem gebundenen Tuch aus feinen Stoffen oder Spitzen. Herrenkleider waren in der Zeit vor der Französischen Revolution sehr viel farbiger und phantasievoller als im späteren bürgerlichen Zeitalter. Zwar war der Begriff «Gleichberechtigung» noch vollkommen unbekannt, aber die edlen Damen der höheren und höchsten Schichten nahmen sich einige Freiheiten heraus. So erstaunt es nicht, dass auch sie sich gern eine «cravatte» um den Hals banden, wenn sie sich für einen Ausritt bereit machten. Zum Décolleté am Abend passte das Tüchlein natürlich nicht.
Wussten Sie eigentlich, dass Krawatte und Jabot ungefähr zur gleichen Zeit aufkamen? Die Krawatte wurde um den Hals gebunden, wenn sie – allerdings erst viel später – nicht schon fertig gebunden war und mittels Knopfband oder Gummi unter dem Kragen befestigt wurde. Das (Spitzen-)Jabot war eigentlich ein ähnliches Tüchlein, das an das (Männer-)Hemd genäht oder mit einer Brosche festgehalten wurde. Auch das Jabot wurde von beiden Geschlechtern getragen.
MATTHIEU LAVANCHY, Merovingian Knot, (Serie «Corner Office»), 2014. Schweizerisches Nationalmuseum.
Die Krawatte – ein Symbol der Macht?
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wandelte sich die Gesellschaft. Das Bürgertum, wie auch immer es zu definieren ist, gab den Ton an. Die Kniehosen des Adels verstaubten mehr und mehr in alten Truhen, der Anzug in all seinen Varianten wurde zur passenden – und leider fast einzigen – Kleidung des korrekt angezogenen Herrn. Dazu gehörte die Krawatte, mal schmäler, mal breiter, schwarz oder farbig, zu passenden Gelegenheiten phantasievoll gemustert, möglichst aus hochwertiger Seide gefertigt. Nun war auch die Kunst des Krawattenbindens ein notwendiger Schritt ins Erwachsenenleben, wenn man nicht zu den erwähnten Hilfsmitteln greifen wollte. Neben der Krawatte gab es natürlich auch noch die Fliege, unabdingbar für einen Frack. Auch sie zu binden, braucht Übung.
Die Krawatte beherrschte das Feld der Mode derart, dass sie unkonventionellen Zeitgenossen und Zeitgenossinnen zuweilen langweilig erschien. Und trotzdem: Auch Frauen beanspruchten die Krawatte für sich. Das können wir im Rückblick ohne weiteres als Aufbegehren gegenüber «alten Zöpfen» verstehen: Diese Frauen beanspruchten für sich die gleichen Rechte, oder sie nahmen sie sich einfach. Dabei wirkt der schwarze Smoking mit ebensolcher Krawatte von Marlene Dietrich ausgesprochen elegant. Unkonventionelle Frauen wie Annemarie Schwarzenbach liebten die Krawatte.
Walter Pfeiffer: Fabian Peña, (aus «From Zurich with Love»), 2014. Schweizerisches Nationalmuseum © 2014 Pro Litteris, Zurich.
Bis in die 1960er Jahre war die Krawatte nur in exotisch-künstlerischen Kreisen verpönt. Erinnern wir uns an die Ankunft der Beatles in der Pop-Kulturwelt: Als «Pilzköpfe» schockierten sie mit ihren damals etwas längeren Haaren, aber sie trugen Anzug und feine schmale Krawatten. Im Laufe dieses Jahrzehnts ging es jedoch rasant abwärts mit Ansehen und Akzeptanz der Krawatte. Bald trugen nur noch Geschäftsleute oder Männer, denen ihre konservative Einstellung wichtig war, ein solches Stück.
Die Krawatte – Mode oder Geschäft?
Es ist eine bekannte Tatsache, dass in der Mode früher oder später alles wiederkommt. So scheint auch die Krawatte heutzutage eine Wiedergeburt zu erleben. Wie gesagt, in Bankerkreisen war sie nie verschwunden. Offensichtlich finden heute wieder mehr Jüngere und Ältere Gefallen daran, sich ein farbiges Stück Stoff gekonnt unter dem Kragen zu binden. Vielleicht erlaubt man sich heute mehr Freiheiten, was Form und Knoten angeht, und vielleicht macht die Krawatte auch Frauen (wieder) Spass, zumal es in den letzten Jahrzehnten die bizarrsten Formen gegeben hat: aus Plastik in Neonfarben, gestrickt oder gehäkelt, natürlich auch aus Leder. Vergessen wir nicht die «Cowboykrawatte», bolo tiegenannt.
Ganz sicher freut diese Entwicklung die Krawattenindustrie, die Hersteller von hochwertigen Stoffen insbesondere. Dieser Zweig der Textilindustrie florierte nämlich schon sehr lange in der Schweiz. Neben Zürich galten Como und New York als die Zentren der Krawattenherstellung. Firmen wie Weisbrod-Zürrer, Schwarzenbach&Co oder Stehli Seiden verdanken ihren Ruf auch der Herstellung von Stoffen für Krawatten und ihre Verarbeitung.
GUIDO RAVASI. Krawattenstoffmuster [New York?]. Como. Anfang 1930er-Jahre. Seide, gemustert. Museo Studio del Tessuto. © Fondazione Antonio Ratti, Como. Foto: Dario Mainetti, Como.
Im Landesmuseum ist diesem Thema, vom Design bis zur Produktion, ein Raum mit vielen aufschlussreichen Darstellungen und Objekten gewidmet. Die Zürcherische Seidenindustrie Gesellschaft (ZSIG) unterstützt diese Ausstellung auch durch einen massgeblichen Finanzbeitrag.
Die sehr sehenswerte, witzig-informative Ausstellung «Die Krawatte. männer macht mode» im Landesmuseum Zürich dauert noch bis zum 18. Januar 2015.
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