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2023-03-16 17:00:10 By : Mr. Hua er

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Krawatten sieht man in der Männermode wieder häufiger.

Selbst in Vorstandsetagen und auf politischer Bühne hatte die Krawatte in den vergangenen Jahren weitgehend ausgedient. Nun ist sie auf den Laufstegen zurück. Wird die Herrenmode nun wieder steifer?

Das Fotoshooting beim diesjährigen G7-Gipfel auf Schloss Elmau in Bayern bot eine willkommene Abwechslung. Ursula von der Leyen, Joe Biden, Olaf Scholz – die vertretenen Politikerinnen und Politiker rückten wieder näher zusammen, nachdem sie aufgrund der coronabedingten Maßnahmen im Jahr zuvor für das „Familienfoto“ in Zickzackaufstellung Abstand voneinander halten mussten.

Umso lockerer gab man sich nun – und das wurde auch mit der Kleidung unterstrichen. Zu der sehr männerlastigen Runde erschienen die Herren zwar wie gehabt in Anzügen, jedoch mit einer entscheidenden Abweichung des klassischen G7-Dresscodes: Niemand trug eine Krawatte – was nicht unbedingt von Trendbewusstsein zeugt, denn zumindest auf den Laufstegen ist der Schlips zurück.

Bereits in den Achtzigerjahren setzte laut Autor und Stilberater Bernhard Roetzel („Der Gentleman: Handbuch der klassischen Herrenmode“) eine Abkehr von der förmlichen Anzugmode ein. Die Kleidung sei über die Jahre insgesamt sportlicher und lässiger geworden, weil in immer weniger Bereichen noch Bekleidungsvorschriften gelten würden. Die Absatzzahlen von Krawatten sind dementsprechend auch schon seit Jahrzehnten rückläufig, allein zwischen 2013 und 2021 reduzierte sich der Umsatz mit Bindern in Deutschland laut einer Erhebung des Onlinestatistikportals Statista von 111 Millionen auf 70 Millionen Euro.

Doch „in der Mode gibt es immer Wellenbewegungen“, hält Roetzel fest. Jüngere tragen schließlich auch wieder statt enger Röhrenhosen bequeme Baggy-Jeans, wie sie zuletzt in den Neunzigerjahren in waren. Und auch die Krawatte hat es, wenn auch nicht komplett in Büros oder auf dem politischen Parkett, so doch immerhin wieder zurück in die Modekollektionen vieler Designerinnen und Designer geschafft. So hat beispielsweise Gucci für den Herbst Modelle aus Leder oder Schmucksteinen kreiert.

Für die Premiere des Netflix-Actionfilms „The Gray Man“ trug Schauspieler Ryan Gosling ein Outfit des italienischen Modehauses mit rotem Sakko und schwarzem Lederbinder – ein gefundenes Fressen für Scherzbolde im Internet, die den Schauspieler mit der King‘s Guard vor dem Buckingham Palace oder Michael Jackson im Musikvideo zu „Thriller“ verglichen. Doch nicht nur Gosling zeigte sich wieder gebunden: Das Pariser Modelabel Celine wagt in seinen Frühlings- und Sommerkollektionen für 2023 einen ungewöhnlichen Kontrast: Hier ergänzen sehr schmale Krawatten die weiten, schillernden Anzüge. Dabei orientiere sich die Breite der Krawatte laut Roetzel eigentlich an der Breite des Revers – also der nach außen geschlagenen, oberen Vorderkante eines Sakkos – oder an der gesamten Silhouette. Früher lautete die Regel: schmaler Anzug, schmaler Schlips.

Bernhard Roetzel, Autor und Stilberater

Jetzt versuchen sich die Designerinnen und Designer an einer Art Krawattenrevolution und setzen das Accessoire neu in Szene. Auch die Traditionsmarke Etro und das niederländische Newcomerlabel Botter mischen mit der Krawatte ihre Kreationen für Männer auf.

In der Damenmode macht sich nach dem legeren Homeofficechic neuer Glamour breit. Die Männermode zieht mit: „Nach der langen Corona-Zeit wird beobachtet, dass sich Menschen wieder in Schale werfen wollen, weil sie es lange Zeit nicht mehr mussten oder konnten“, sagt Roetzel. Zudem reflektiere die Kleidung stets den Zeitgeist oder die Stimmung in der Gesellschaft – und die sehne sich zunehmend nach Stabilität. „In einer unsicher erscheinenden Welt können klassische Kleidungsstile im Alltag ein Gefühl von Beständigkeit, Kontinuität und Sicherheit geben“, sagt der Experte.

Die Krawatte in der heutigen Form ist schon fast hundert Jahre alt – und das Ursprungsmodell wird sogar auf das 17. Jahrhundert datiert. Söldner der kroatischen Kavallerie, die in die französische Armee geholt wurden, trugen damals Halstücher mit zwei herunterhängenden Enden. Offenbar gefiel das dem französischen König Ludwig XIV. so gut, dass er mit diesem Accessoire fortan seine Rüschen überdeckte. Seine Krawatte hatte Bänder aus Spitze und Seide, doch als sich die Mode in ganz Europa verbreitete, nahm sie ganz verschiedene Formen und Farben an.

Die heutige Krawatte erfand der Schneider Jesse Langsdorf in New York: Er kam 1926 auf die Idee, sie diagonal in drei Teilen quer über den Stoff zuzuschneiden. Einen Hauch ihres kroatischen Ursprungs hat die Krawatte der Legende zufolge dennoch beibehalten: Demnach entstand aus dem Wort für Kroate, Hrvat, die französische Bezeichnung Cravate, also Krawatte.

Richtig populär wurde die Krawatte mit der Entwicklung des Herrenanzugs als normale Alltagsbekleidung in den Zwanzigerjahren, wie Roetzel betont. Sie symbolisiere eine gewisse Ernsthaftigkeit und gehöre auch heute noch zur Berufskleidung vieler Manager. „Die Krawatte ist das Symbol der Männermode, genau wie der Rock das Symbol der Frauenmode ist“, so der Experte. Doch solche tradierten Rollenmuster wurden schon früh aufgehoben: Schon im 19. Jahrhundert machte die feministische Pionierin und Schriftstellerin George Sand den Schlips für Frauen salonfähig.

Filmdiva Marlene Dietrich verhalf der Damenkrawatte in den Dreißigerjahren wieder zu Auftrieb. Auch aktuell ist der Schlips wieder zum Teil in der Damenmode zu sehen, etwa bei Louis Vuitton, Ralph Lauren oder Gucci.

Modefachmann Roetzel hält den Damenschlips jedoch eher für einen „Publicity Gag“, ähnlich wie den Männerrock. Und selbst der Krawatte für den Mann traut er trotz des momentanen Trends kein nachhaltiges Comeback zu: „Ich glaube nicht, dass die Krawatte auf breiter Front zurückkommt, denn das würde bedeuten, dass der Anzug das auch tut“, sagt Roetzel. Doch dafür habe sich die Berufswelt zu sehr verändert. Und wenn selbst Spitzenpolitiker wie Olaf Scholz und Robert Habeck betont lässig mit Herrendekolleté auftreten, dürften sich auch andere Führungspersönlichkeiten inspiriert fühlen, den Binder im Kleiderschrank zu lassen.

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