Sie arbeiten im Wohnzimmer oder im eigenen Garten und vertreiben ihre Produkte im Internet und auf dem Markt gleich um die Ecke. Pankower Kleinunternehmer und ihre Geschäftsideen.
Auf der Berliner Fashion Week war er der älteste Jungdesigner. Darauf ist Klaus Hoffmann stolz. Und es amüsiert ihn auch. Der Pankower hat ohnehin großen Spaß an seinem kleinen Mode-Label. Leben muss Hoffmann davon schließlich nicht. Denn der Geograf und frühere Stadtplaner ist 72 Jahre alt und versorgt. Als er 2009 in Rente ging, begann aber auch eine neue Karriere: Hoffmann entwirft und produziert Seidenfliegen. “Ich bin selbst seit 50 Jahren leidenschaftlicher Fliegenträger”, sagt er und greift sich an den Hals, den - natürlich - eine braun-grüne Fliege ziert.
Doch ausgerechnet im Ruhestand bekam Hoffmann ein Problem: Er fand keine Fliegen mehr, die seinen Ansprüchen genügten. “Als Stadtplaner und auch privat bin ich früher in der ganzen Welt herumgekommen und habe mir Fliegen schneidern lassen”, erläutert er. Ob im Nahen Osten oder in Kasachstan, überall habe er ausgefallene Stoffe gefunden und Schneider, die daraus nach seinen Mustern Fliegen fertigten. Nur in Deutschland nicht. “Da kam mir die Idee, meine eigenen Fliegen herzustellen.”
Hoffmann ist eine Art lebendes Aushängeschild für seine Marke. Stattlich sitzt er da in einer Pankower Kneipe, in Tweetweste, einem zweireihigen Hemd und mit seiner Seidenfliege. Das Einstecktuch, er nennt es Kavalierstuch, passt selbstverständlich perfekt. Während er erzählt, löst er die Fliege ganz nebenbei und bindet sie mit ein paar Handgriffen wieder, ohne hinzuschauen. “Reine Übungssache, davor muss sich kein Mann fürchten”, sagt er.
Hoffmanns Fliegen, die von einer Näherin im Bezirk genäht werden, sind aus fließendem Stoff und ganz aus Seide. “Das sind keine starren Gebinde mit zusammengenähtem Mittelsteg, die mit Haken oder Ösen an einem Gummiband befestigt sind”, erklärt er. “Betonfliegen” nennt er solche Modelle, die man heute sozusagen von der Stange kaufen kann. Bei manch einem deutschen Herrenausstatter findet man inzwischen aber auch handgenähte Fliegen von Design-Aura, wie Hoffmanns Label heißt.
Seine Geschäftskontakte knüpft der Pankower auf der Berliner Fashion Week und bei Unternehmerstammtischen in ganz Berlin. Außerdem ist er mit einen eigenem Shop auf dem Onlinemarktplatz Dawanda vertreten. Die Stoffe “erjagt” er im Internet, bei Geschäftsauflösungen oder auch auf Trödelmärkten. ”Das ist eigentlich der spannendste Teil der ganzen Sache.” Das Geschäft läuft gut, so gut, dass Hoffmann darüber nachdenkt, es an jemanden zu übergeben, der sich eine Existenz aufbauen möchte. “Wenn ich jemand finden würde, der mit Herzblut dabei wäre, könnte ich loslassen”, sagt er. Am liebsten wäre ihm, wenn seine kleine Manufaktur in Pankow bliebe.
Auch eine asymmetrisch geschnittene Herrenweste und das zweireihige “Hemd von maskuliner Eleganz” gehören zur Kollektion von Design-Aura. Ebenso wie Fliegen für Frauen. “Am Hals einer Dame wirkt eine Fliege wie ein mehrkarätiger Solitär”, schwärmt Klaus Hoffmann. Männern wie Frauen empfiehlt er, Fliegen auch mal offen zu tragen. Männer drückten damit Lässigkeit und Souveränität aus, bei Frauen assoziiere die offen herunterhängende Fliege das offene Haar. “Mit Betonfliegen geht das natürlich nicht”, lästert er.
Wer Christof Berndt (54) und Simone Fischer (53) besucht, der mutiert in kürzester Zeit zum Honigexperten. Das Paar aus Niederschönhausen sprudelt nur so vor Fachwissen über die Imkerei, dabei sind die beiden von Haus aus Grafikdesigner. Doch Christof Berndt war schon als Kind von Bienenstöcken fasziniert - und seine Partnerin von der Biologie.
Als ein Freund Berndt dann vor einigen Jahren mit einem Imker zusammenbrachte, ergab sich die Sache fast wie von selbst. Berndt baute Bienenstöcke im eigenen Garten auf und begann, seinen eigenen Honig zu produzieren. Simone Fischer war von Anfang an begeistert dabei. Inzwischen ist aus dem Hobby sogar fast ein Zweitberuf geworden. Derzeit hat Christof Berndt sechs Bienenstöcke mit jeweils rund 60.000 Bienen im Garten. “Jetzt im Winter bilden sie eine Winterkugel um ihre Königin und halten sie und sich selbst durch Flügelzittern warm”, erzählt Simone Fischer bei einem Rundgang. Einige Jungbienen schwirren allerdings bereits draußen herum und nutzen die ersten milden Sonnenstrahlen zu Flugübungen.
80 Kilogramm Honig haben Christof Berndt und Simone Fischer im vergangenen Jahr produziert. Im Obergeschoss ihres Hauses haben sie dafür eine Honigküche eingerichtet. Ihren “Kiezhonig” verkaufen die beiden auf kleinen Märkten, am liebsten aber direkt an der Haustür in der Homeyerstraße 32 in Niederschönhausen. “Ich möchte meinen Nachbarn zeigen, wie ihr Kiez schmeckt”, erklärt Berndt. Den Vergleich mit Honig vom Land müsse ihr Stadthonig nicht scheuen, sagen die beiden selbstbewusst. “Er ist sogar besser, denn wir haben hier eine große Blütenvielfalt und keine Monokulturen wie auf dem Land. Außerdem werden in der Stadt keine Pestizide eingesetzt”, sagt Berndt. Der Nektar des Pankower Kiezhonigs stammt unter anderem von Akazien, Rosskastanien, Linden und Götterbaum. Und ein Gutachten belegt, dass er weniger Schadstoffe enthält als das Berliner Wasser. “Der Nektar ist ja meist geschützt in der Blüte”, erläutert Simone Fischer, “und eine Biene nimmt verschmutzten Nektar auch gar nicht auf.”
Imkereien unterscheiden sich auch durch ihre Betriebsweise. Berndt und Fischer haben sich nach eigener Aussage für ein bienenschonendes Verfahren entschieden, das sich an ökologischen Standards orientiert. “Wir versuchen, möglichst wenig in das Leben der Bienen einzugreifen, und verwenden vor allem natürliche Materialien”, sagt Berndt. Seine Bienen ernährten sich beispielsweise ausschließlich von ihrem eigenen Honig und würden nicht mit Zuckerwasser gefüttert. “Denn es geht mir nicht darum, möglichst viel aus ihnen heraus zu pressen, sondern darum, guten Honig mit reinen Aromen zu produzieren.”
Auch bei Adrienne Schiebeck fing alles mit einem Hobby an: dem Schneidern. “Nähen habe ich schon als Kind gelernt, allerdings noch per Hand”, sagt die 44-jährige Pankowerin, die Kindermode und Accessoires entwirft. “Bei uns in der Familie wurde eigentlich immer alles selbst gemacht”, sagt sie. Die Pankowerin stammt aus Ungarn und kam mit neun Jahren nach Deutschland.
In der Oberschule in Berlin lernte Adrienne Schiebeck später das Nähen an der Maschine. Nach der Schule dachte sie allerdings zunächst nicht daran, ihre kreative Ader beruflich zu nutzen, sondern wurde Krankenschwester. Erst vor fünf Jahren gab sie den erlernten Beruf auf und machte sich mit ihrem Hobby selbstständig. Atelier, Werkstatt und Büro befinden sich im Familien-Wohnzimmer, genauer gesagt am Esstisch. Dort stehen auf der einen Seite die Nähmaschine und auf der anderen der Computer, über den Adrienne Schiebeck ihren Shop “Luzies” bei Dawanda steuert.
“Die Zeiten sind härter geworden”, sagt sie. Denn die Konkurrenz werde immer größer. “Ich versuche, durch Qualität zu überzeugen, durch hochwertige Materialien und eine gute Verarbeitung.” Und natürlich durch einen eigenen Stil. Ihre Kindersachen sind nicht so bunt wie andere, Adrienne Schiebeck kombiniert aber gern unterschiedliche Materialien und Stoffe. “Ich mag Stilbrüche”, erklärt sie. Jeans kommt da mit Spitze daher, und Nähte sind auch mal außen sichtbar. “Meine Sachen sollen die Persönlichkeit der Kinder hervorheben”, sagt sie. Die Schnitte für ihre Modelle entwirft Adrienne Schiebeck selbst.
Ob ein Teil in den Shop kommt, hängt auch von ihren Kindern ab, denn ihr dreizehnjähriger Sohn und vor allem die bald zehnjährige Tochter sind ihre wichtigsten Kritiker. “Was meiner Tochter gefällt, produziere ich meist in mehreren Größen.” Doch als Einfrau-Betrieb sind ihre Kapazitäten begrenzt. Einen Ballen Stoff bestelle sie meist für ein Modell, erklärt sie, wenn der aufgebraucht sei, komme etwas Neues auf die Maschine. “Ich habe ohnehin immer tausend Ideen im Kopf.”
Auch Accessoires wie Haarbänder oder Schmuck aus Stoff hat Adrienne Schiebeck im Angebot. Und immer wieder entstehen neue Produkte aus praktischen Alltagsproblemen: zum Beispiel das Platz sparende “Lunchbag” mit Kühlfunktion aus Wachstuch fürs Schulbrot. “Ich habe meinen Traumberuf gefunden”, sagt Adrienne Schiebeck. Manchmal fehlten ihr zwar die Kontakte zu Kollegen, dafür sei das Familienleben durch ihre Heimarbeit aber deutlich entspannter als früher: “Kein Stress am Morgen, und wenn die Kinder nach Hause kommen, ist immer jemand da.”
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