Josef und Becker müssen bei FNP-Veranstaltung konkret werden
Frankfurt -„Stellen Sie bitte Ihren Konkurrenten vor“, fordert FNP-Redaktionsleiterin Simone Wagenhaus Uwe Becker (CDU) auf und weist auf den zweiten OB-Kandidaten Mike Josef (SPD). Dieser ist am Dienstagabend im Pullunder unterm Jackett ins Haus am Dom gekommen, Becker trägt Hemd und blaue Krawatte. „Neben mir sitzt Mike Josef“, sagt also Becker, „Planungsdezernent und mit hoher Wahrscheinlichkeit bis 2024 im Amt.“ Die knapp 100 Zuschauer brauchen kurz, um diese unerwartete Attacke zu verarbeiten, dann breitet sich Heiterkeit aus. Bei seiner Vorstellung Beckers schießt Josef zurück. Die nächste Kommunalwahl sei 2026. „Außerdem schätze ich Uwe Becker als starke Stimme in Wiesbaden und so soll es bleiben.“
Diese Angriffslust blitzt während der folgenden 100 Minuten immer wieder auf, wenn es um die handfesten Probleme der Frankfurter geht. Denn das Besondere an diesem Frankfurt-Duell ist, dass die Fragen direkt von ihnen kommen.
Den Anfang macht Volker Boyke: Wie die beiden Kandidaten die „prekäre Situation“ bei den Hortplätzen entschärfen wollen, fragt er. Becker schwenkt auf den Kurs, mit dem er sich von Anfang an profiliert hat: Alles muss schneller gehen. Außerdem sollen die Angebote flexibler werden. Josef will vor allem Hortplätze schaffen. Für Sanierungen und Erweiterungen will er 50 Millionen Euro zusätzlich bereitstellen. Bauen soll die ABG, damit die Stadt die Projekte nicht ausschreiben muss, sie aber trotzdem in ihren Händen bleiben. Fürs nötige Fachpersonal soll der Frankfurt-Zuschlag sorgen.
Nadja Menke vom Zirkus Zarakali sieht Kinder und Jugendliche besonders stark belastet. Freie Träger der offenen Kinder- und Jugendarbeit und Jugendverbände bekämen nicht genügend finanzielle Mittel, um das abzufangen. Josef stellt in Aussicht, das Finanzierungssystem hin zu langfristiger Förderung umzubauen und will Schulhöfe, auf denen es oft Spiel- und Sportplätze gibt, auch nach Schulschluss öffnen. Becker fordert Projekte, die Kinder stark machen, etwa durch mehr Investitionen in die Jugendsozialarbeit an Schulen und Tarifanpassungen.
Themenwechsel. Überall liege Müll, kritisiert Frank Weiser. „Das ist kein Kavaliersdelikt“, antwortet Josef. Es brauche sowohl einen Bewusstseinswandel in der Bevölkerung als auch genügend Personal, um Verstöße auch zu ahnden, sagen sowohl Josef als auch Becker. Petra Roth sei noch mit dem Dampfstrahler über die Zeil gelaufen, „aber wenn das Gefühl entsteht, dass es niemanden interessiert, wird es schlimmer“, fährt Becker fort. „Ich will da eine Lanze für die Kollegin Heilig brechen“, die grüne Umweltdezernentin, erwidert Josef. Das Bewusstsein sei definitiv da.
Über den beiden wird angezeigt, wie lange sie sprechen. Langsam zeigt sich: Uwe Becker kommt schneller auf den Punkt. Mike Josef wird das später damit ausgleichen, dass er schneller redet, während Becker - bemüht staatsmännisch zurückhaltend, aber dennoch sichtbar zufrieden - seine Botschaften platziert. Noch reden aber beide normal.
Markus Mühleck fragt, warum die Sport- und Kulturhalle in Unterliederbach seit 2010 brachliegt. Alle hätten Fehler gemacht, sagen beide, jetzt gehe es aber voran, verspricht Josef. Die Situation für Vereine müsse sich generell verbessern, sagen beide, die Jugendpauschale habe er schon um 25 Prozent erhöht, sagt Josef, Mieterhöhungen seien abgewendet. Becker will gleich die gesamte Finanzierungsstruktur neu regeln und entbürokratisieren.
Dann geht’s ums Wohnen. Roman Blaheta wird seit Jahren von einem Investor schikaniert, der luxussanieren will. Die Stadt müsse sich in solchen Fällen „klar einmischen“ sagt Becker, auch mit „Unterstützung in rechtlichen Maßnahmen“. Josef verweist darauf, dass die Stadt vor Kurzem zum ersten Mal ein „nicht niedriges“ Bußgeld gegen einen Investor verhängt hat, der eine Baustelle nur geschaffen habe, um Mieter zu verdrängen. Nun fehle noch eine Verordnung des Landes Hessen, um gegen spekulativen Leerstand vorgehen zu können.
Auf der anderen Seite steht Hausbesitzer Hubert Rautenberg. Er fühlt sich von der Bauaufsicht gegängelt, Projekte scheiterten an Kleinigkeiten. Josef stimmt ihm zu. Oft seien die Sachbearbeiter aber an Landesgesetze gebunden. „Hier ist heile Welt und wo’s klemmt, ist es das Land Hessen“, ätzt Becker. „So einfach ist es aber nicht.“ Die von der Stadt beschlossene Erhaltungssatzung etwa erschwere Aufstockungen. Hier, wie beim Wohnungsbau insgesamt, sei mehr drin: „In dieser Wahlperiode ist noch kein einziger neuer Bebauungsplan auf den Weg gebracht worden.“ - „Das stimmt nicht“, beklagt Josef, und: „Populismus!“ Sogar für das seit Jahrzehnten diskutierte Baugebiet Bonames-Ost werde der Satzungsbeschluss nun „Ende des Jahres kommen“.
Mittlerweile diskutieren die beiden seit fast 90 Minuten, immer öfter schleichen sich Worthülsen ein. Zudem ist Josef sichtlich genervt, dass Becker ihm ständig Untätigkeit vorwirft.
Es ist Zeit für den Oeder Weg. Hutmacherin Susanne Bänfer klagt über Umsatzrückgänge der Einzelhändler. Becker antwortet mit seinem Slogan „Mobilität für alle“ und verspricht, den Verkehrsversuch zu beenden. Josef verteidigt die Entscheidung, die Straße zu sperren: „Wir brauchen eine koordinierte Verkehrswende.“ Um auch Fußgängern gerecht zu werden, die, wie Angelika Schneider beklagt, zu wenig Beachtung fänden, will Josef Zebrastreifen und breitere Fußwege schaffen und E-Roller-Anbieter schon bei der Ausschreibung stärker in die Pflicht nehmen. Becker kritisiert die generell chaotische Verkehrsplanung in der Stadt und fordert bei E-Rollern ebenfalls klarere Regelungen und Bußgelder.
Zum Schluss will Moderator und FNP-Redakteur Dennis Pfeiffer-Goldmann im Namen von Michael Werm wissen, wie die beiden das Amt „wieder mit mehr Kompetenz und Würde“ ausfüllen wollen. „Ich möchte den Menschen die Möglichkeit geben, diese Stadt gemeinsam zu gestalten, mit einem klaren Führungsanspruch. Das bedeutet, den Mut zu haben, Entscheidungen zu treffen, mit Transparenz durch permanente Gespräche mit Bürgern“, sagt Josef. Und auf Ex-Hauptamtsleiter Tarkan Akman (SPD) angesprochen: „Ich dulde keine Korruption!“ Das sei er den „vielen anständigen Kollegen in der Verwaltung“ schuldig.
Becker will das Amt so ausfüllen, „wie ich bisher über viele Jahre in dieser Stadt gewirkt habe, nämlich mit Integrität, Anstand und Herz“. Nicht er sollte im Fokus stehen, sondern die Frage, was gut sei für die Stadt. „Ich werde sehr schnell die Verwaltung wieder ordnen, um zu zeigen, dass die Parteipolitik an der Spitze dieser Stadt ein Ende hat.“
Am Ende hat Becker 30 Minuten gesprochen, Josef 34. Auf die Frage, wer sich im Lauf des Abends für einen Kandidaten entschieden hat, bleiben im Publikum alle Hände unten. Die Stichwahl ist in eineinhalb Wochen. Sarah Bernhard