Die Kleidung macht den Mann. Sie ist Ausdruck unserer Identität, sendet sexuelle Signale aus und lässt uns darüber hinaus "männlicher" oder auch "weiblicher" erscheinen.
Diese Artikelserie wurde gefördert von der Homosexuellen Selbsthilfe e.V., www.hs-verein.de Oberbekleidung – Identität, Schutz und Persönlichkeit Bis heute gilt: "Die Kleidung macht den Mann" (Quintilian) bzw. "Kleider machen Leute" (Gottfried Keller). Kleidung bringt u. a. Identität, Status und Persönlichkeit zum Ausdruck und wirft als Uniform Fragen der Individualität und Anpassung auf. Schon in der Antike war bei gleichgeschlechtlichen Paaren der "gemeinsame Mantel" ein Symbol ihrer Beziehung. Kleidungsstücke wie Jacken und Mäntel sind auch Ausdruck für das Bedürfnis nach Schutz und Geborgenheit. Auf diese Weise kann die Kleidung eines Mannes auch emotionale Wärme zum Ausdruck bringen. Kleidung – Status, Identität und Erotik Kleidung wird oft als Statussymbol eingesetzt. Das wird besonders deutlich in dem Film "Liberace" (2013), der vom gleichnamigen weltberühmten US-Entertainer der Fünfziger- bis Siebzigerjahre handelt. Liberace inszenierte nicht nur sich selbst, sondern auch seine Kleidung, seine Autos und seinen Schmuck. Genannt sei die Filmszene mit einem Bühnenauftritt, bei dem Liberace (D: Michael Douglas) ungeniert mit seiner teuren Kleidung vor dem Publikum prahlt und zu ihm sagt: "Genießen Sie meinen Anblick ruhig! Sie haben ja dafür bezahlt." Mode transportiert sexuelle Wünsche und ist Ausdruck der sexuellen Identität. In dem Satz "Mode muss wie eine zweite Haut sein, die die Größe des Geschlechtsteils angibt" aus "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" (1971, 19:45 Min., hier online) steckt nicht nur Symbolik und Provokation, sondern auch Wahrheit. Nach einem weitverbreiteten Stereotyp kennen sich Schwule bei Mode und Körperpflege überdurchschnittlich gut aus. Fernsehserien wie "Queer Eye" (USA, 2003-2007, ab 2018) und "Queer Eye Germany" existieren nur aufgrund dieser stereotypen Vorstellung. Mit diesem Stereotyp spielen auch andere Filme wie "Cowboys & Angels" (2003), worin erst ein Schwuler einem Hetero zeigen muss, wie man sich gut kleidet. Mit ihrem Coming-out verändern einige Schwule auch ihren Kleidungsstil, wie in "Brüder" (2005). Mit dem Satz "Nicht Kleider machen Leute" wird der schwule Nikolas in "Sitcom" (1998) sogar von seinem Vater gewarnt, als er nach seinem Coming-out in Pink und engem Gummi erscheint. In "Edge of Seventeen" (1998) ist es die Mutter, die wegen der neuen Kleidung und dem Haarschnitt ihres Sohnes irritiert ist: "Man könnte denken, du seist schwul." Auch in "Formula 17" (2004) ist die neue Kleidung in Pink Ausdruck der inneren Veränderung. Ein solcher Kleidungsstil gefällt nicht allen – er soll auch nicht allen gefallen, sondern provozieren und ein Statement zur eigenen sexuellen Identität darstellen.
Schuluniformen – Konformität Wenn britische Schüler in ihren typischen Schuluniformen auftreten, wie zum Beispiel in "Beautiful Thing" (1996), ist es nicht immer einfach zu erkennen, ab wann mit diesen Uniformen auch Fragen der Individualität und Anpassung aufgegriffen werden. In dem Kurzfilm "Wasteland – Michaels Story" (2010, hier online) scheint das T-Shirt "Some People are Gay" im Kontrast zur Schuluniform inszeniert worden zu sein. In "It gets better" (2014) haben die homophoben Täter an einer Highschool im Gegensatz zum Opfer Uniformen an, die sie als gemeinsam handelndes Kollektiv erscheinen lassen. In mehrschichtiger Form greift der Kurzfilm "Chalk Lines" (2006, 0:45 Min., hier online) Fragen der Individualität auf: Ein schwuler Schüler trägt zu seiner Schuluniform grüne Strümpfe, die individualisieren (weil sie nicht zur Schuluniform gehören) und auch ein wenig erotisieren (durch einen Blick auf seine nackten Beine). Außerdem werden sie politisiert, weil sie mit Bezug auf den St. Patrick's Day kommentiert werden (vom St. Patrick's Day wurden Schwule und Lesben über viele Jahre ausgeschlossen, s. queer.de).
Kleidung – Verbundenheit Durch Kleidung können zwei Männer als ein Paar wahrgenommen werden, wie beim klassischen Partnerlook, der wohl gänzlich aus der Mode gekommen ist, aber in "Ein Kuss" (2016) als Ausdruck der Beziehung von Lorenzo und Antonio zu sehen ist. Es geht dabei auch um besondere Formen der Inszenierung, die mit der Wahrnehmung der Zuschauer*innen spielen: In "Oranges" (2004) tragen zwei Jugendliche ähnliche Kleidung und haben die gleiche Art, ihren Pullover um die Hüfte zu hängen, in "Flatmates" (2007) tragen zwei Freunde das gleiche T-Shirt und in "Deep End" (2011) wird die Nähe zwischen zwei Brüdern über ihre gleichen roten Hosen deutlich.
Verbundenheit zwischen zwei Männern kann auch durch das Vermischen, Tauschen, Ausleihen und sogar durch das Stehlen von Kleidung deutlich werden. Dazu gehören das Vermischen von Kleidung in "Abschiedsblicke" (1986), das Tauschen in "Harrys wundersames Strafgericht" (Folge 2/10) und "No Night Is Too Long" (2002), das Verschenken in "Cabalerno" (2006) und das Ausleihen in "Awakening" (2008). Eine Filmszene in "Der verführte Mann" (1983) beschreibt Hermann J. Huber so: Henri "zieht Jean's Kleidung an, als würde sie ihm neue Kraft verleihen. Als könnte er dadurch Jean auf seiner Haut spüren" ("Gewalt und Leidenschaft", 1989, S. 184). Der Diebstahl eines Hutes in "Criminal Minds" (Folge 3/17) ist als gewaltsame Übernahme der Identität eines schwulen Mannes inszeniert. Die Rückgabe eines T-Shirts, das zuvor geklaut wurde, ist in "Just" (2007) ein Zeichen von Ehrlichkeit und Vertrauen. Der Titel des Kurzfilms "Bennys Jacke" (2007) verweist bereits auf die besondere Bedeutung der Jacke in der Filmhandlung. Benny hat seine Jacke bei seinem Freund Alfred vergessen, was problematisch ist, weil andere nichts von ihrem Verhältnis wissen dürfen. In "Teenage Kicks" (2016) träumt Miklós davon, mit seinem heimlichen Schwarm Dan durchzubrennen, wird aber durch den Tod seines Bruders Tomi in eine schwere Identitätskrise gestürzt. Zunächst kleidet er sich wie sein toter Bruder, bis er mit den Worten "Ich bin nicht Tomi" dessen Jacke wieder auszieht und sich auf sein eigenes schwules Leben konzentriert. Kleidung – gegen emotionale Kälte Eine Jacke kann Ausdruck emotionaler Wärme sein. Das bekannteste Beispiel dafür ist wohl in "… denn sie wissen nicht, was sie tun" (1955) zu sehen, als Jim Stark (D: James Dean) seinem Freund Plato (D: Sal Mineo) seine berühmte rote Jacke schenkt, damit dieser nicht länger friert. In der Dokumentation "The Celluloid Closet" (1995, 25:50 Min., hier online) wird diese Filmszene gezeigt, die Konzeption der Figur Plato als homosexueller Teenager erläutert und die Szene mit der Jacke vom Drehbuchautor Stewart Stern im Kontext von Zärtlichkeit und Intimität unter Freunden erklärt. Im Film weist Jim Stark nach dem Tod seines Freundes darauf hin, dass Plato "immer gefroren" habe (s. a. Vito Russo: "Die schwule Traumfabrik", 1990, S. 78), was ebenfalls emotional zu verstehen ist.
Heute gehen Filme deutlicher mit der Homosexualität von Protagonisten um, wie "Summer Blues" (2002, 7:25 Min., hier online) und "Be Mine" (2009), worin einem frierenden Freund ebenfalls die eigene Jacke zum Wärmen gegeben wird. Mehrschichtig angelegt ist der Kurzfilm "O Beautiful" (2002, 4:15 Min., hier online), in dem nach einem homophoben Überfall einer der Täter dem Opfer seine Jacke gibt, damit dieser nicht friert und als eine Art "Entschuldigung" für die begangene Gewalttat. In "Der Mann meines Herzens" (1997) gibt es erkennbar doppeldeutige Formulierungen wie "Er fehlt mir", die sich sowohl auf einen wegen Kälte ausgeliehenen Pullover als auch auf die Liebe zu einem Mann beziehen. Weitere Bedeutungen – von Morgenmänteln bis zum Abschneiden von Ärmeln Einige bekannte ältere Filme zeigen schwule Männer in einem Morgenmantel, wie "Anders als die Andern" (1919), "Michael" (1924), "Spionage" (1955), "Der Detektiv" (1967, 57:30 Min., hier die Szene aus "The Celluloid Closet" online) und die Folge "Eine adäquate Ehe" der Serie "Das Haus am Eaton Place" (Folge 1/5, 1971, 37:20-38:45 Min., hier online). Hier lässt sich auch eine Szene aus der "Tatort"-Folge "Der Fall Schimanski" (Folge 252, 1991) ergänzen, in der Horst Schimanski (D: Götz George) einen schwulen Untermieter hat, der im Morgenmantel zu sehen ist. Ähnliches gilt für die Schwulen in ihren Morgenmänteln in "Oscar Wilde" (1997) und "Das Herz will, was es will" (2004). Diese Morgenmäntel regen Phantasien der Zuschauenden über eine gemeinsame Nacht der Protagonisten an, ohne direkt als sexuell anzüglich wahrgenommen zu werden. Sie sind als Hinweise auf vertrauliche bzw. intime Verhältnisse zu verstehen, die einen sexuellen Hinweischarakter ohne symbolische Bedeutung haben.
Der Filmtitel "Cut Sleeve Boys" (2006) greift einen in China geläufigen Ausdruck für Schwule auf: Der Ausdruck "den Ärmel abschneiden" geht auf eine Legende zurück, wonach Kaiser Ai der Han-Dynastie sich den Ärmel abgeschnitten haben soll, um seinen darauf schlafenden Liebhaber Dongxian nicht zu wecken. Siehe auch die entsprechenden Hinweise in der Doku "Queer China, 'Comrade' China" (2009) und in dem Buch von Bret Hinsch "Passions of the Cut Sleeve. The Male Homosexual Tradition in China" (1990). Schwulenpornos – auch Bomberjacken "make the man" Der Porno "Bombers" wurde nach den sogenannten Bomberjacken benannt, also Blouson-Jacken, die den ursprünglichen (militärischen) Bomberjacken nachempfunden sind und damit indirekt Gewaltbereitschaft signalisieren. Durch englische Wortspiele lässt sich auch eine Verbindung Coming-out und dem Ausziehen von Kleidung ("Out of Clothes") herstellen. Der Porno "Clothes make the man" drückt deutlich die wohl wichtigste symbolische Bedeutung von Kleidung aus und entspricht damit weitgehend der deutschen Redewendung "Kleider machen Leute". Um die damit verbundenen Elemente von Respekt und Anerkennung geht es bei der Angeber-Kleidung auf dem Cover von "Love of the Dick". Mit dem "Bling-Bling" trägt der Mann auf dem Cover den typischen Schmuck der Hip-Hop-Kultur, dessen symbolische Bedeutung sich stark verändert hat: Was ursprünglich auf Reichtum und Status verwies, steht heute eher für Dekadenz und Kitsch.
Hemden – offene und zugeknöpfte Menschen Das "letzte Hemd" ist sprichwörtlich und deutet an, dass das Hemd für etwas eigentlich Unverzichtbares stehen kann. Hemden können auch sexuelle Begierden und Leidenschaften symbolisieren, was u. a. von der Farbe und davon abhängig ist, wie offen sie getragen werden. Im Umkehrschluss wirken Männer "zugeknöpft", wenn ihr Hemd bis zum obersten Knopf geschlossen ist. In der Umgangssprache verweist "halbseiden" nicht mehr wie ursprünglich auf das Material von Hemden (Mischung aus Seide und Baumwolle), sondern auf Anrüchigkeit, bedingte Vertrauenswürdigkeit und sogar Effemination. Offenes Hemd – offen für Menschen Ein offen getragenes Hemd kann menschliche Offenheit gegenüber anderen signalisieren, wie bei Matthias in "Coming-out" (1989). In einer Folge der "Simpsons" (Folge 15/18) ist ein Kommentar des schwulen Raoul über sein eigenes Hemd sogar ein indirektes Coming-out: Er betont, dass er Frauen gegenüber nicht so offen sei, "wie mein offenes Hemd vielleicht vermuten lässt". Ein offen getragenes Hemd eines Schwulen als Hinweis auf dessen soziale Offenheit ist in "The Everlasting Secret Family" (1988), "North of Vortex" (1991), "Full Speed" (1996), "Disarm" (2010), "Prora" (2012) und der US-Serie "Queer as Folk" (Folge 1/1) zu sehen.
Ganz offenes Hemd – offen für Sex In einigen Szenen werden Hemden aufgeknöpft und außerhalb der Hose getragen, was meistens die Suche nach sexuellen Abenteuern andeutet. In "Der Konformist" (1970) ist dies ein deutliches Signal eines Strichers gegenüber einem potenziellen Kunden. In der Doku "The Celluloid Closet" (1995) äußert sich Tom Hanks im Interview unter Bezug auf das offen getragene rosa Hemd eines Trampers in "Fluchtpunkt San Francisco" (1971, 1:07:20 h., hier online) über die frühere klischeehafte Kleidung von Schwulen in Filmen. In "Töte, Django" (1967) ist das offene Hemd eines Jünglings zwar ebenfalls ein sexuelles Signal, jedoch mit gänzlich anderer Bedeutung: Es deutet vorsichtig den in der Nacht zuvor an ihm begangenen sexuellen Missbrauch an. Neuere Schwulenfilme wie "Sebastian. Freundschaft oder Liebe?" (1995), "Ben & Arthur" (2002) und "Dummer Junge" (2004) werden mit dem Motiv eines offen getragenen Hemdes beworben.
Zugeknöpfte Hemden – zugeknöpfte Menschen Männer mit Krawatte und/oder zugeknöpftem Hemd wirken auch im übertragenen Sinne "zugeknöpft", also reserviert. Wenn ein Mann im zwischenmenschlichen Kontakt "auftaut", lässt sich das gut anhand seines Hemdes darstellen – wie in "Buddies" (1985), dem ersten Film über Aids. In diesem Film kümmert sich David um den an Aids erkrankten Robert. Bei ihrem ersten Kontakt trägt David eine Maske, Plastikhandschuhe und Krawatte. Nachdem sich beide menschlich angenähert haben, sieht man David ohne Maske, ohne Krawatte und mit einem offenen Hemd. Wenn schwule Männer keine Krawatte tragen, fällt es besonders auf, wenn der oberste Knopf des Hemdes geschlossen ist, wie in "Another Gay Sequel" (2008), "Everybody Is Having Sex … But Ryan" (2009) und "Dirty Laundry" (2014). Diese Männer stellen stets einen Gegenpart zu den offenherzigen Männern dar, denen sie begegnen. Alle diese Männer tauen auf, wie auch der Mann in "Sombrero" (2008), der im Laufe des Kennenlernens den obersten Knopf seines Hemdes öffnet.
Holzfällerhemden – sind "männlich" In einigen Filmen tragen Schwule und Lesben sogenannte Holzfällerhemden. Holzfällerhemden – in klassischer Form kariert – waren ursprünglich Arbeitskleidung für Land- und Waldarbeiter und sind mittlerweile ein gängiger Bestandteil von Freizeitbekleidung. Aufgrund ihres historischen Ursprungs werden sie mit "Männlichkeit" assoziiert. Sie wurden bzw. werden überdurchschnittlich oft von Schwulen und Lesben getragen und entsprechen auch einem Lesben-Klischee. In "Queer as Folk" werden Holzfällerhemden als typisch lesbisch bezeichnet (Folge 3/9) und schon in der ersten Staffel dieser Serie ist eine Party zu sehen, bei der alle Gäste Holzfällerhemden tragen.
Die Wirkung der Hemden wird von Michael gegenüber dem Lesbenpärchen Linds und Mel kommentiert: "Niemals zuvor ward ihr beide männlicher" (Folge 1/22). Auch in "Adam & Steve" (2005) ist eine Cowboy-Party zu sehen, was sich vor allem über Hüte und Holzfäller-Hemden ausdrückt. Weitere Bedeutungen – Haut, Trophäe und Hommage
Über Hemden lassen sich auch komplexe Bedeutungen vermitteln. In "Brokeback Mountain" (2005) entdeckt Ennis in Jacks Zimmer nach dessen Tod nicht nur Jacks Jeanshemd, sondern auch sein eigenes Hemd, das er glaubte auf dem Brokeback Mountain vergessen zu haben und das nun im Hemd von Jack steckt. Die beabsichtigte Symbolik wird durch den zugrundeliegenden Roman etwas deutlicher: Die zwei Hemden sind "wie zwei Häute, dieses Paar, das eine im andern" (Annie Proulx: "Brokeback Mountain", 1999, S. 292). Die Hemden sind damit nicht nur Ausdruck der emotionalen, sondern auch der körperlichen Verbindung der beiden Männer. Übrigens: Bis heute werden die beiden Hemden aus dem Film recht passend in einem Bekleidungsgeschäft ("Rockmount Ranch Wear" in Denver) ausgestellt.
Drei weitere Filme sind hier erwähnenswert: In "Erdbeer und Schokolade" (1994) erreicht es Diego unter einem Vorwand, dass David sein Hemd auszieht, um es auf den Balkon zu hängen. Das Aufhängen auf dem Balkon gehört zu einer Sex-Wette von Diego, es zeigt nach außen hin fälschlich eine sexuelle Eroberung Davids an, womit es zu einer "Trophäe" wird (Diego bezeichnet das Hemd auf dem Balkon als "Zeichen meines Triumphs"). In "Green Plaid Shirt" (1996) wird die gesamte Beziehung zweier Männer anhand eines für sie bedeutenden grünen Hemdes erzählt, durch das sie sich kennen und lieben gelernt haben. Bei Beerdigungen gelten bestimmte Kleiderregeln, die im Zusammenhang mit Respekt und Anstand stehen. In "Der Club der gebrochenen Herzen" (2000) sind die auf Jacks Beerdigung getragenen Hawaii-Hemden allerdings kein Zeichen von Respektlosigkeit, sondern eine besondere Hommage an den verstorbenen schwulen Freund. Pornos – offene Hemden und offen für Sex Auch in Schwulenpornos steht das offene Hemd vor allem für die Offenheit gegenüber Sex. Auf vielen Pornocovern (u. a. "BoyStories", "BorstalBoy", "Overtime") werden Hemden vollständig offen und außerhalb der Hose getragen. Dabei sind die Männer oft in Bewegung und schauen herausfordernd den Betrachter an. Weitere symbolische Bedeutungen bekommen Hemden, wenn sie weiß sind und die Träger damit unschuldig wirken ("A Dream Come True", "International Playboys") oder mit Anzug und Krawatte kombiniert bürgerlich wirken sollen ("In Hot Pursuit"). Auf einigen Covern tragen die Männer Holzfällerhemden ("Muscle Gang", "Hotel California"), wodurch sie "männlich" und rustikal wirken.
Anzug und Krawatte – Macht, Männlichkeit und makelloses Benehmen Anzug und Krawatte stehen für Korrektheit, Wohlstand und gutes Benehmen, im negativen Sinne sind sie Machtsymbole und verweisen auf Bürgerlichkeit und fehlende Beweglichkeit. Ein Mann kann sich durch Anzug und Krawatte ähnlich eingeengt fühlen wie hinsichtlich der gesellschaftlichen Erwartungshaltung. Krawattenknoten verweisen auf Disziplin, Selbstbeherrschung und gesellschaftliche Konventionen, können aber auch gelöst werden. Der Weiberfastnachtsbrauch, bei dem Frauen den Männern die Krawatte abschneiden, basiert auf phallischer Symbolik. Krawatte – bürgerlich, wohlhabend und erfolgreich Wer in Filmen als Schwuler einen Anzug und eine Krawatte trägt, ist meistens beruflich erfolgreich, vermögend wie in "Dakan" (1997) und "Cityboy" (2014) oder auch einfach nur recht bürgerlich wie in "Mein schwules Kaninchen" (1999), "Das Herz will, was es will" (2004) und "Love or whatever" (2012). Dies wird vor allem deutlich, wenn in einem Film wie "This car up" (2003) ein reicher Krawattenträger konträr zu einem Kurier und in "Cowboy" (2008) konträr zu einem Dorfbewohner gezeigt wird. In "Blessing" (2003) tragen außer dem schwulen David alle anderen Familienangehörigen Anzug und Krawatte. Mit der Krawatte signalisiert man seinen Status gegenüber anderen. Geschickt und differenziert ist die Inszenierung in "J. Edgar" (2011): Der langjährige FBI-Direktor J. Edgar Hoover (D: Leonardo DiCaprio) lässt sich beim Kauf seiner Kleidung von seinem Lebenspartner Tolson beraten, denn schließlich ist die eine Krawatte "lauter" und eine andere "reservierter". Er wird auch beim Kauf eines Anzuges beraten und entscheidet sich für einen, der "Respekt" signalisiert. In einer späteren Verfilmung von Hoovers Leben mit dem Titel "Der Fluch des Edgar Hoover" (2013) ist es eine gelungene Inszenierung, Hoover mit Anzug und Krawatte zusammen mit seinem Lebenspartner Tolson im Bett zu zeigen, weil damit die Symbole der gesellschaftlichen Konventionen mit denen von Erotik und Sexualität deutlich kontrastieren. In ähnlicher Form werden Anzug und Krawatte auch in "Another Country" (1984) inszeniert.
Krawattenknoten – ein Zwang, von dem man sich lösen kann In einigen Filmen wird deutlich, wie queere Menschen unter gesellschaftlichen Erwartungshaltungen leiden, was passend durch eine zu eng sitzende Krawatte oder Fliege zum Ausdruck gebracht wird. In "Mein Leben in Rosarot" (1997) ist die Antwort des Vaters auf Jeromes Klage über die zu eng sitzende Fliege nur: "Meine ist auch zu eng." Ähnlich doppeldeutig fragt Khaled in "Familie verpflichtet" (2015) seinen Lebenspartner, ob sein neuer Anzug "nicht ein bisschen zu eng" sei – und meint damit offenbar auch die Enge seiner homophoben muslimischen Familie. In die gleiche Richtung gehen die viel zu schmalen Hemden in "Daybreak" (2008), die der Protagonist trägt und die hier ebenfalls als äußeres Zeichen der ihn einengenden persönlichen Situation zu verstehen sind. Das Lockern von Krawattenknoten verweist nicht nur auf erotische Situationen, sondern kann den Ausbruch aus gesellschaftlichen Konventionen anzeigen, wie in "Flames of Passion" (1989), "Doorman" (2006) und "James" (2008). Es gibt eine symbolische Nähe zwischen dem Lösen des Krawattenknotens und dem Lüften eines Schleiers. Kann man Krawatten auch mit Korsetts vergleichen, die früher Frauen tragen mussten? Einige Parallelen lassen sich durchaus erkennen. Die physische Einengung durch Krawatten ist allerdings weniger stark, als symbolisches Bild sind sie weniger deutlich und sie werden gesellschaftlich weniger kritisch hinterfragt. Anders ausgedrückt: Krawatten sind nur eine Art "Korsett light" für Männer. Krawatten und Farbsymbolik Vor hundert Jahren soll eine rote Krawatte in den USA ein geheimes Zeichen für schwule Männer gewesen sein – das schreibt u. a. Simon Gage in seinem Buch "Queer" (2002, S. 50, hier online). In anderen Quellen ist speziell von scharlachroten Krawatten im New York der Dreißigerjahre die Rede. Es gibt die Absicht, George Chaunceys Buch "Gay New York. Gender, Urban Culture, and the Making of the Gay Male World, 1890-1940" zu verfilmen, in dem diese roten Krawatten ebenfalls aufgegriffen werden (s. Info auf milestonefilms). Als Symbolfarbe steht Rot u. a. für Männlichkeit. Denny Crane (D: William Shatner alias "Captain Kirk") trägt wie üblich auch in der letzten Folge von "Boston Legal" (Folge 5/13) Anzug und Krawatte. Das Besondere an dieser Folge ist, dass er, nicht aus Liebe, aber aus Gründen der finanziellen Absicherung, eine gleichgeschlechtliche Ehe mit seinem Geschäftspartner eingehen möchte. Seine Krawatte, ausnahmsweise in der schwulenpolitischen Signalfarbe Pink, soll seinem Anliegen offenbar Authentizität verleihen. Die Krawatte steht hier – wie die Ehe – für einen (angeblich) verantwortungsvollen und vorbildlichen Lebensstil.
Krawatte – "Männlichkeit" und phallische Bedeutung In Filmen kann die erotisch-sexuelle Bedeutung von Krawatten und Anzügen unterschiedlich ausgeprägt sein. In dem Kurzfilm "My first suit" (1985) wird der titelbestimmende erste Anzug des jungen Steve mit seinen ersten homosexuellen Erfahrungen parallelisiert. Die Filme "Last Call" (2009) und "Ties" (2011) zeigen die Körpernähe, die entsteht, wenn ein Mann sich einem anderen von hinten nähert, um ihm beim Binden der Krawatte zu helfen. In "In the Light" (2011) ist die Krawatte gleichzeitig der Griff, mit dem man einen Mann zu sich ins Zimmer ziehen kann, ein Phallussymbol, das man sich um die Hüften binden und baumeln lassen kann, und eine schöne Erinnerung an ein erotisches Erlebnis. In "A Lesson in Biology" (2007, 6:30/7:30 Min., hier online) nimmt ein Mann seine Fliege ab und ergreift danach die Krawatte des anderen. Dadurch, dass das zärtliche Spielen mit der Krawatte von der Kamera fokussiert wird, entsteht der Eindruck einer phallischen Bedeutung. In "Watch out" (2008) nimmt der schwule Narzisst Jonathan Barrows seine Krawatte in den Mund, während er wichst und über seinen Penis philosophiert.
Als deutliches Symbol des "Männlichen" ist auch die Krawatte in "Boy" (2014, hier online) inszeniert: Emilie fühlt sich als Junge und bekommt von ihrer Mutter am Ende des Films eine Krawatte umgebunden. Diese Szene bringt zum Ausdruck, dass sie von ihrer Mutter akzeptiert wird, was als Happy End inszeniert ist.
Sind Fliegen typisch schwul? Ist die etwas extravagante Fliege ein typisch schwules Kleidungsstück? Zumindest werden in der US-Serie "Die Simpsons" mit Waylon Smithers und dem Musiklehrer Deway Largo zwei schwule Figuren mit pinker bzw. lila Fliege dargestellt. Zu den wenigen deutschen Filmen, die in schwulem Kontext eine Fliege thematisieren, gehört die "Tatort"-Folge "Das Glockenbachgeheimnis" (Folge 423, 1999), in der dem schwulen Fliegenträger Paul Rochus eine Fliege geschenkt wird.
Pornos – "Casual Friday" verweist auf sexuelle Freizügigkeit In Pornos sind Anzug und Krawatte nicht nur sexueller Fetisch, sondern sie spielen mit dem Bild des "anständig" wirkenden Mannes, der auch richtig "unanständig" sein kann. Ein Pornotitel heißt "Casual Friday" und bezieht sich auf die in vielen Unternehmen praktizierte Gepflogenheit, Freitags – als Einstimmung auf das Wochenende – von der strengen Kleiderordnung abzurücken und ein Hemd ohne Krawatte zu akzeptieren. (Der "Casual Friday" ist mit dem deutschen Wort "hemdsärmelig" vergleichbar, der ebenfalls eine Brücke zwischen Freizeitkleidung und ungezwungenem Verhalten schlägt.)
Das Lockern der Krawatte bedeutet die Lockerung der Sitten und verweist in Pornos auf Sex. Viele Filme zeigen ein halb geöffnetes Hemd und eine geöffnete Krawatte ("Office Boy", "Scandal at Helix Academy", "Jury Duty") bzw. Anzüge, die noch am Leib sind, aber schon auf das Ausziehen verweisen ("Suited to fuck", "Suited for Sex", "Suited for action"). Einige dieser Pornos spielen in Settings von beruflichen Abhängigkeitsverhältnissen ("Men in Suits", "Fucked by the Boss"), was u. a. dadurch visualisiert werden kann, dass an einer Krawatte wie an einer Halskette gezogen wird ("Boss vs. Twink"). Einige doppeldeutig-kreative Pornotitel verbinden berufliche Hierarchien und wirtschaftliche Macht mit der Sex-Position ("Top Management") bzw. der Penisgröße ("Big Business"). Mit "School Sluts" gibt es ein eigenes Porno-Label für Liebhaber britischer Schuluniformen ("School Sluts is a gay dvd series that features gay twinks having sex in their school uniforms"). Lederkerle – "Männlichkeit" und Macht Lederbekleidung ist eng mit Inszenierungen von "Männlichkeit" verbunden. Sie hat meistens eine schwarze Farbe und erhält ihre Bedeutung auch über diese Farbsymbolik. Weil es sich bei Leder um Tierhaut handelt, spielt eine animalische Bedeutung mit hinein. In der Leder- und Fetischszene werden manchmal auch Militäruniformen getragen, die symbolisch für Macht und rigorose Hierarchien stehen. Vor allem bei sexuellen Rollenspielen werden noch andere Accessoires wie das Hundehalsband (= Unterwerfung bzw. Unterwürfigkeit) und der Harness (= Rebellion, s. queer.de) verwendet. Lederszene – die Anfänge Eine schwule Lederszene entwickelte sich erst ab den Fünfzigerjahren, wobei der Film "Der Wilde" (1953) mit Marlon Brando auf die sich formierende schwule Lederszene einen großen Einfluss hatte – ohne selbst von Homosexualität zu handeln. Zumindest einen homoerotischen Subtext hat "Sommer der Verfluchten" (1961), wozu die schwarze, körperbetonte Lederkleidung von Anacleto Comanchi (D: Dirk Bogarde) beitrug, die erkennbar "homoerotisch konnotiert" ist ("Out im Kino", 2003, S. 315). Der Film "Die Lederjungen" (1964) war dann wohl der erste Film, der offen Männer zeigte, die nicht nur auf Leder und Motorräder, sondern auch auf andere Männer stehen.
Lederszene – Provokationen In "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" (1971) werden die "ledertragenden Supermänner" – wie auch andere Teile der Schwulenszene – provoziert: "Um den Verlust der Männlichkeit zu verdecken, behängen sie sich mit den Symbolen der Männlichkeit. Ähnlich wie sich bei den Nazis, in Cowboyfilmen und beim Militär versteckte Homosexualität zeigt, so ersehnen sich die Ledermänner durch deren Symbole eine Welt der Gewalt." Rosa von Praunheim wollte durch solche Provokationen Diskriminierung und Selbstdiskriminierung entlarven und zum Kampf dagegen aufrufen. Eine ganz andere Form der Provokation stellte rund zehn Jahre später der Film "Cruising" (1980) mit Al Pacino dar, in dem die schwule Lederszene zur Kulisse für die Taten eines Serienmörders wurde. Nach Hermann J. Huber hat der Regisseur William Friedkin "allzu unbesonnen […] einen psychopathischen Mörder mit Symbolen assoziiert, die sich gerade die New Yorker Gays als Insignien der Emanzipation schwer erkämpft hatten" ("Gewalt und Leidenschaft", 1989, S. 46). Lederszene – spätere Filme Die vielen Filme über Männer in Lederkleidung, die danach kamen, haben eine große Bandbreite, mit der die Attribute der Lederszene in Dokumentationen, Komödien und Krimis aufgegriffen werden. Schon in den ersten vier Teilen der "Police Academy"-Reihe (1984-1987, hier eine Szene online) ist die schwule Lederbar "The Blue Oyster" ein Running Gag, der seinen Humor daraus bezieht, dass hier hypermaskuline Lederkerle mit Sonnenbrillen und Handschellen gefährlich aussehen, aber nur Tango tanzen und ein bisschen kuscheln wollen. Ein anderer Film drückt die Veränderung des Protagonisten gut über seine Kleidung aus: Der zunächst schüchterne Adrian in "Apartment Zero" (1988) ist zunächst nur in Anzug und Krawatte zu sehen. Nachdem er seinen Freund Jack ermordet hat, übernimmt er nicht nur dessen Auftreten und Art zu rauchen, sondern auch seine schwarze Lederjacke. Auf diese Weise kann schwarzes Leder durchaus mit Mord und Homosexualität in Verbindung gebracht werden, ohne dabei – wie in "Cruising" – eine ganze Szene zu diskreditieren. Pornos – Leder ist animalisch, schmutzig und geheimnisvoll
Viele Schwulenpornos haben die Lederszene als Zielgruppe (die vor einigen Jahrzehnten vermutlich noch besser als heute definier- und abgrenzbar war). Die Abbildungen auf den Covern geben ein raues Setting wieder, wie schwarze Hintergründe, Gitterstäbe oder Ketten ("Bound for Leather", "Leather Bound"). Motive der Unterwerfung und Abhängigkeit werden über die Titel transportiert ("Leather Masters", "Leather Drill") oder mit symbolischen Bildmotiven wie einem Hundehalsband ("Boys in Leather"), einem Harness ("Leather Temptation") oder einem Totenkopf (die Mütze in "Leather Narcissus") zum Ausdruck gebracht. Die Liebe zum Leder wird auch mit ergänzenden Begriffen ("Leather party!", "Leather Playhouse") im Titel verdeutlicht. Die Titel greifen auch Elemente auf, die für viele einen besonderen Reiz ausmachen, wie das Narzisstische ("Leather Narcissus"), Animalische ("Leather Wolf", "Leather Fuck Pigs"), Schmutzige ("Dirty Leather") oder Dunkle und Geheimnisvolle ("Black Leather", "Leather Night", "Leather Sex Underground", "Leather after Midnight").
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