Der Finne Maksim Komaro ist ein Pionier des modernen Zirkus. Seine Kompanie "Circo Aereo" ist international bekannt für ihre sehr innovativen Stücke, voller Magie, Zauber und immer alle Genre-Grenzen sprengend. Zusammen mit dem Berliner Chamäleon-Theater hat Maksim Komaro jetzt sein neues Stück entwickelt: "in_between".
Träume sind nicht immer schön: Es wabern Bilder und Gefühle ineinander, wir verstehen oft gar nicht, was sie bedeuten sollen und miteinander zu tun hat. Sie hängen uns aber noch lange nach. "in-between": dazwischen - zwischen Wachsein und Träumen - man könnte auch sagen: surreal.
Und das kann man nach diesem Stück sagen: zeitgenössischer Zirkus ist wie gemacht für surreale Bilderwelten. Schweben, springen, fliegen, hinunterfallen oder etwas, was hinunterfällt in unglaublicher Weise fangen, sich absurdest verbiegen, jemanden halten, den man eigentlich nicht halten kann - all das ist eben möglich, auch wenn es eigentlich nicht möglich erscheint. Und die sieben Artist*innen machen all dies auf der Bühne: einzeln, in kleinen Gruppen und als wilder, entfesselter Haufen. Das alles in einer genau dosierten Mischung. Immer einen Hauch daneben, nie nur perfekt oder schön und sei es nur ein etwas schiefes Lächeln im Gesicht oder eine etwas zu zackige Bewegung.
"in_between" fängt mit artistischen Einzelbildern an – scheinbar zusammenhangslos gehen sie ineinander über, durch die auf- und zugehenden Vorhänge, durch einen extrem kunstvoll gewobener Sound, durch eine schummrig-düstere-neblige Lichtwelt verbunde
Titel "in_between" von Maksim Komaro
Mit Alyssa Bunce, Vejde Grind, Eetu Ranta, Sini Saari, Anna Shvedkova, Onni Toivonen, Saleh Yazdani
Eine dickes Seil plumpst von der Decke, mitten im Gang im Zuschauerraum. Es liegt über einer Holzspule, die quietscht, wenn die Artistin hochgezogen wird, sich um das Vertikalseil windet und sich von oben fallen lasst. Fast etwas roh, brutal wirkt das, wie schwere Arbeit, aber der Harlekinkragen und das Kostüm, matt und trotzdem mit einem Hauch von Glitzer, verleihen ihr trotzdem etwas Zartes.
Ein Skelett lehnt an einer Kiste wie an einem Tresen, klappert im Takt der Musik, nickt dem Artisten zu. Der ignoriert das zunächst und macht dann seine fast perfekten Handstandverbiegungen auf dem Tresen. Immer verbogener wird das, bis er am Ende zu einer Art Zwiegespräch mit dem Tod – ein lustiges Zwiegespräch.
Eine Feder schießt durch die Luft, landet mit ihrem Stil vollkommen unmöglich auf der Stirn des Jongleurs. Am Ende der Einzelszene jongliert der mit drei langen Federn, was an sich schon unwirklich wirkt. Und die federartigen Lichter auf den blauen Vorhang projiziert verstärken dieses Bild.
Die Artisten glänzen in ihrer etwas schrägen Art so jeder einzeln für sich. Sie finden aber auch immer wieder in kleinen Gruppen zusammen, zart, sinnlich oder auch kraftstrotzend. Oder sie tollen als komplett irrsinniges, entfesseltes Gesamtbild auf der Bühne.
In der Mitte des Stückes zum Beispiel: Da plumpsen sie von der Decke auf ein altmodisches Sofa, kreisen um den Kronleuchter, fliegen durch die Vogeltapete in den Raum hinter der Bühne oder ihre Köpfe hüfen wie Bälle hoch und runter.
Auch die Schlussszene ist solch eine komplett surreale Gruppenkonstellation: Zwischen Spinnweben aus Licht, und aus Draht geformten Schattenskulpturen bewegen sie sich alle passend zum Sound in einer wabernden akrobatischen Skulptur- ein lebendiges Traumgebilde...
Diese surrealen Gruppenbilder bleiben am stärksten hängen. Wären also mehr davon und weniger Einzelbilder vielleicht interessanter gewesen? Vielleicht wäre das auch eine surreale Überforderung gewesen und es war genau richtig durchdacht, dass so sparsam zu dosieren? Da ist die Kritikerin unentschlossen – will es noch einmal sehen und fühlen - wie Traumszenen, die einen nicht loslassen und die man weiterträumen möchte. Und das alles vermittelt durch artistische Präzision: wie fantastisch kunstvoll war das denn?!
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